Die Untersuchungen zeigen, dass sowohl die Art und Weise wie das Gehirn Stress verarbeitet, als auch die subjektive Stresswahrnehmung die zukünftige Atrophie (d.h. den Gewebsverlust) in Gehirnarealen vorhersagen, für die Atrophie im Rahmen einer MS charakteristisch ist. Die Befunde untermauern Ergebnisse einer Reihe von früheren Studien, die einen Zusammenhang zwischen psychologischem Stress und Erkrankungsschwere der MS nahelegen. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift Neurobiology of Stress* erschienen.
Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) untersuchte Privatdozent Dr. rer. nat. Martin Weygandt gemeinsam mit Kollegen die Hirnaktivität von 25 an MS erkrankten Personen. Während der Untersuchung wurden die Teilnehmer mildem Stress ausgesetzt. Konkret bestand ihre Aufgabe darin, anspruchsvolle Kopfrechenaufgaben durchzuführen, für die sie mit Schulnoten bewertet wurden. Neben der fMRT Messung wurde eine anatomische Aufnahme angefertigt, eine weitere nach ca. 1000 Tagen. Nachdem beide anatomische Aufnahmen vorlagen, wurden sie mit Hilfe eines Computers verglichen und die Atrophie einzelner Areale aus der Differenz der Aufnahmen ermittelt. Diese wurde schließlich zur Hirnaktivität in Beziehung gesetzt.
Die Tatsache, dass eine veränderte neuronale Stressverarbeitung mit zukünftiger Hirnatrophie einhergeht, ist ein wichtiger Aspekt der Studie. „Hirnatrophie liegt als zentraler Faktor dem unumkehrbaren Voranschreiten der Beeinträchtigung bei MS zugrunde“, erklärt Prof. Dr. med. Friedemann Paul.
Weiterhin zeigen die Ergebnisse, dass eine stärkere Reaktion des Gehirns auf Stress als auch ein stärkeres subjektives Stressempfinden mit weniger Atrophie verbunden sind. „Dieser Fund deutet darauf hin, dass reduzierte Stressempfindlichkeit – möglicherweise verursacht durch eine langanhaltende psychologische Belastung oder auch entzündliche Prozesse infolge der Erkrankung - mit einem schwereren zukünftigen Verlauf der Erkrankung einhergehen kann“ sagt Dr. med. Lil Meyer-Arndt, die Erstautorin der Studie.
„Aufgrund des längsschnittlichen Untersuchungsansatzes und der Tatsache, dass statistische Tests keinen Einfluss alternativer Erklärungsfaktoren auf die zukünftige Hirnatrophie finden konnten, erlauben es die in dieser Studie gesammelten Forschungsergebnisse, vorsichtig auf eine Mitverursachung zukünftiger Hirnatrophie durch Stress im Rahmen der MS zu schließen“, erklärt Prof. Dr. med. Gold, Vorsitzender im Ärztlichen Beirat des DMSG-Bundesverbandes. „Weitere Studien mit größeren Teilnehmerzahlen und einer breiteren Zahl an biologischen Parametern sind jedoch erforderlich, um die Ergebnisse weiter zu erhärten und unser Verständnis von den zugrundeliegenden Prozessen zu vertiefen.“